Wie Ihr Gehirn Ihnen böse Streiche spielt
Wie Ihr Gehirn Ihnen böse Streiche spielt
Kennen Sie diese Gedanken?
- Irgendwie fühle ich mich total unglücklich, weiß aber nicht warum. Alles, was ich anpacke, geht schief, und nie mache ich was richtig.
- Sport? Es heißt doch nicht umsonst „Sport ist Mord“! Damals beim Fußballspielen hab ich mir mal den Fuß gebrochen, das will ich nie wieder erleben!
- Ich rauche, das machen alle in meinem Umfeld und allen geht es gut.
- Letztens habe ich sowieso eine Studie gelesen, die bewiesen hat, dass intelligente Menschen nun mal häufiger rauchen - und ich bin halt intelligent!
In diesen Gedanken liegen einige Denkfallen
Vielleicht hatten Sie schon einmal solche oder ähnliche Gedanken, wenn Sie sich Dinge „schöngeredet“ oder eine Einschätzung zu einem Thema abgegeben haben, bei dem Sie sich nicht wirklich auskennen. Das ist ein vollkommen normaler Prozess und ein natürlicher Bestandteil des menschlichen Denkens.
Was sind kognitive Verzerrungen?
Kurz gesagt wird damit die menschliche Voreingenommenheit beschrieben. Kognitive Verzerrungen sind fehlerhafte Denkmuster oder Wahrnehmungsverzerrungen, die zu ungenauen oder irreführenden Schlussfolgerungen führen können. Sie fungieren als mentale Abkürzungen im Gehirn, z. B., um schnelle Entscheidungen treffen zu können, weil unsere Aufmerksamkeit begrenzt ist, unsere Erinnerungen nicht immer zuverlässig sind und unsere Emotionen die Urteilsbildung beeinflussen.
10 kognitive Verzerrungen, die uns unser Gehirn vorspielen kann
- Bestätigungsfehler (Confirmation Bias)
Informationen werden so ausgewählt, ermittelt und interpretiert, dass diese bestehende Überzeugungen und Erwartungen bestätigen. Widersprechende Informationen werden ignoriert oder abgewiesen. - Verfügbarkeitsheuristik (Availability Heuristic)
Häufigkeiten oder Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen werden beurteilt, ohne Zugang zu präzisen und vollständigen Informationen zu haben. Beispiele oder Informationen, die uns leicht in den Sinn kommen, werden überbewertet. - Kontrollillusion (Illusion of Control)
Der Glaube, Kontrolle über Situationen oder Ereignisse zu haben, die nachweislich nicht beeinflussbar sind. - Rückschaufehler (Hindsight Bias)
Vergangene Ereignisse oder Entscheidungen werden im Nachhinein als vorhersehbar oder unausweichlich wahrgenommen, obwohl sie es zum damaligen Zeitpunkt nicht waren. - Ankerheuristik (Anchoring Effect)
Insbesondere bei der Entscheidungsfindung greift das Gehirn unbewusst auf einen Vergleichswert zurück, der als Ausgangspunkt (Anker) verwendet wird, aber willkürlich festgelegt wurde und irrelevant sein kann. - Negativitätsverzerrung (Negativity Bias)
Negative Informationen oder Ereignisse werden stärker gewichtet und erinnert als positive. - Danning-Kruger-Effekt
Das eigene Wissen zu einem bestimmten Sachverhalt wird trotz Unkenntnis zu hoch eingeschätzt, während das der Mitmenschen, die sich auskennen, stark unterschätzt wird. - Halo-Effekt (Heiligenschein)
Auf der Basis von bekannten, positiven Eigenschaften einer Person werden ihr weitere positive Eigenschaften zugeschrieben, obwohl darüber keine Kenntnis besteht. - Social-Proof-Effekt (Herdentrieb)
Im eigenen Verhalten wird sich an dem der Mitmenschen orientiert und deren Handlungen übernommen, in der Annahme, dass diese in einer jeweiligen Situation angemessen sind. Die Meinung der Masse wird als Referenz herangezogen. - Verzerrungsblindheit (Blind-spot-Bias)
Die eigene Wahrnehmung wird als objektiv und frei von Beeinflussungen und Verzerrungen wahrgenommen und der Glaube, dass solche Phänomene nur auf andere zutreffen.
Quiz: Um welche kognitiven Verzerrungen handelt es sich?
1. Irgendwie fühle ich mich total unglücklich, weiß aber nicht warum. Alles, was ich anpacke, geht schief, und nie mache ich was richtig.
Lösung
Negativitätsverzerrung
2. Sport? Es heißt doch nicht umsonst „Sport ist Mord“! Damals beim Fußballspielen hab ich mir mal den Fuß gebrochen, das will ich nie wieder erleben!
Lösung
Verfügbarkeitsheuristik
3. Ich rauche, das machen alle in meinem Umfeld und allen geht es gut.
Lösung
Social-Proof-Effekt
4. Letztens habe ich sowieso eine Studie gelesen, die bewiesen hat, dass intelligente Menschen nun mal häufiger rauchen - und ich bin halt intelligent!
Lösung
Bestätigungsfehler
5. „Ich kann jederzeit aufhören, zu rauchen.“
Lösung
Kontrollillusion
6. „Der Arzt hat doch gar keine Ahnung von meinen Beschwerden. Ich habe seit meiner Kindheit Asthma und kenne mich am besten aus.“
Lösung
Danning-Kruger-Effekt
7. „Meine Freunde machen auch alle keinen Sport und bisher hatte noch niemand gesundheitliche Probleme."
Lösung
Social-Proof-Effekt
8. „Organspendeausweise sollten nicht verpflichtend sein, das bringt doch nichts. Die Mehrheit der Menschen hat dieselbe Meinung wie ich, das bestätigen auch die Studien, die ich dazu gelesen habe.“
Lösung
Bestätigungsfehler
9. „Der Preis für diesen Hometrainer ist ein super Schnäppchen, das Modell von eben hat 500 Euro mehr gekostet!“
Lösung
Ankerheuristik
10. „Hab ich doch von Anfang an gesagt, dass du dich bei dem Wetter erkälten wirst! Das war total klar.“
Lösung
Rückschaufehler
11. „Die Apothekerin hat mir vorhin so freundlich hallo gesagt, sie wird mich bestimmt kompetent zur Einnahme meines neuen Medikaments beraten.“
Lösung
Halo-Effekt
12. „Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, bei diesem Orthopäden einen Termin zu vereinbaren. Max war kürzlich auch dort und ihm wurde super geholfen.“
Lösung
Verfügbarkeitsheuristik
Verzerrungen erkennen und vermeiden
Gegen diese Denkfallen und kognitiven Verzerrungen ist niemand immun. Doch wer sie durchschaut, kann sie erkennen und vermeiden. Daher behalten Sie – bei was auch immer Sie denken – im Hinterkopf, dass Ihr Gehirn dabei Verzerrungen aktiviert.
Die folgenden praktischen Tipps helfen Ihnen dabei, die einzelnen kognitiven Verzerrungen zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken:
Bestätigungsfehler (Confirmation Bias)
- Suchen Sie aktiv nach widerlegenden Informationen und betrachten Sie verschiedene Standpunkte und Quellen.
- Fordern Sie sich selbst heraus, Ihre eigenen Überzeugungen zu hinterfragen und alternative Erklärungen zu finden.
- Suchen Sie nach objektiven Beweisen und validen Quellen, um Ihre Ansichten zu überprüfen.
- Diskutieren Sie mit anderen Menschen, um unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen und Ihre Denkweise zu erweitern.
Verfügbarkeitsheuristik (Availability Heuristic)
- Bemühen Sie sich, umfassende Informationen zu sammeln und nicht nur auf das zurückzugreifen, was Ihnen leicht zugänglich ist.
- Suchen Sie nach fundierten Daten und Fakten, anstatt sich nur auf persönliche Erfahrungen oder Anekdoten zu verlassen.
- Seien Sie sich bewusst, dass leicht verfügbare Informationen nicht unbedingt repräsentativ oder aussagekräftig sind.
Kontrollillusion (Illusion of Control)
- Analysieren Sie Situationen und Ereignisse objektiv und beurteilen Sie, wie viel tatsächliche Kontrolle Sie über sie haben.
- Akzeptieren Sie, dass es Dinge gibt, die außerhalb Ihrer Kontrolle liegen, und entwickeln Sie einen realistischen Blick auf Ihre Einflussmöglichkeiten.
- Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Sie tatsächlich beeinflussen können, und lernen Sie loszulassen, wenn es erforderlich ist.
Rückschaufehler (Hindsight Bias)
- Reflektieren Sie die Informationen und Umstände, die zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung verfügbar waren, anstatt sich von nachträglichem Wissen beeinflussen zu lassen.
- Dokumentieren Sie Ihre Entscheidungsprozesse, um später Ihre eigene rationale Denkweise nachvollziehen zu können.
- Erinnern Sie sich daran, dass es in vergangenen Situationen oft verschiedene Möglichkeiten gab.
Ankerheuristik (Anchoring Effect)
- Seien Sie sich darüber im Klaren, dass der erste Eindruck oder die erste Information, die Sie erhalten, Ihre spätere Entscheidung beeinflussen kann.
- Versuchen Sie, unvoreingenommen und unabhängig von einem vorgegebenen Ankerpunkt zu denken und alternative Referenzpunkte zu finden.
- Überlegen Sie, welche Informationen und Daten tatsächlich relevant für Ihre Entscheidungen sind, anstatt sich zu sehr auf einen bestimmten Ausgangspunkt zu fixieren.
Negativitätsverzerrung (Negativity Bias)
- Geben Sie positiven Informationen und Ereignissen bewusst mehr Gewicht und achten Sie darauf, dass Sie nicht nur auf das Negative fokussiert sind.
- Üben Sie Dankbarkeit und konzentrieren Sie sich auf positive Aspekte, um Ihre Perspektive auszugleichen.
Dunning-Kruger-Effekt
- Seien Sie sich Ihrer eigenen Wissensgrenzen bewusst und erkennen Sie, dass es Bereiche gibt, in denen Sie möglicherweise weniger kompetent sind.
- Hören Sie aufmerksam auf die Meinungen und das Wissen anderer und respektieren Sie deren Fachkenntnisse.
- Setzen Sie sich mit Kritik und Feedback auseinander, bilden Sie sich kontinuierlich weiter und versuchen Sie, Ihre Fähigkeiten und Ihr Wissen realistisch einzuschätzen.
Halo-Effekt (Heiligenschein)
- Vermeiden Sie vorschnelle Schlussfolgerungen über eine Person aufgrund einzelner positiver Eigenschaften und suchen Sie nach weiteren Informationen und Belegen.
- Betrachten Sie Personen oder Situationen aus verschiedenen Perspektiven, um ein ausgewogenes Bild zu erhalten.
Social-Proof-Effekt (Herdentrieb)
- Hinterfragen Sie die Handlungen und Meinungen anderer kritisch und prüfen Sie, ob sie wirklich auf fundierten Informationen oder bloßem Konformismus basieren.
- Überlegen Sie unabhängig von der Meinung der Masse, was für Sie persönlich angemessen und richtig ist.
Verzerrungsblindheit (Blind-spot-Bias)
- Seien Sie sich bewusst, dass auch Sie von kognitiven Verzerrungen betroffen sein können und dass Ihre Wahrnehmung nicht immer objektiv ist.
- Hören Sie auf Feedback von anderen und betrachten Sie alternative Sichtweisen, um Ihre eigenen Verzerrungen zu erkennen und anzugehen.
Indem Sie diese praktischen Tipps anwenden, können Sie bewusster und reflektierter denken, um die Auswirkungen der kognitiven Verzerrungen zu minimieren.
Veröffentlicht: 29.06.2023 - Aktualisiert: 05.07.2024