Werden wir zu „Höhlen“-Menschen?

Das Cave-Syndrom infolge von Corona betrifft Menschen aller Altersklassen

Die vierte Corona-Welle hat nicht zuletzt aufgrund der Omikron-Variante wieder vor Augen geführt, wie sehr die Pandemie uns noch immer im Griff haben kann. Doch selbst in den vergleichsweise „freien“ Sommermonaten isolierten sich viele, vor allem junge Menschen – trotz Booster-Impfung und gefallener Virenlast. Studien zeigen, was hinter diesem sogenannten „Cave-Syndrom“ steckt und weshalb es sich derart rasant verbreitet hat.

Lieber abgeschottet leben anstatt Freiheiten genießen

Man sollte meinen, wer an 2020 und 2021 denkt, freut sich auf den kommenden Sommer: Viele Freiheiten werden wahrscheinlich wieder hergestellt, die Virenlast sinkt und ein annähernd normales Leben dürfte wieder möglich sein. Tatsache ist aber: Viele Menschen finden das gar nicht gut. Sie würden lieber weiter abgeschottet leben und am liebsten kaum mehr das Haus oder die Wohnung verlassen.

Höhle statt Öffentlichkeit

Von diesem „Cave“-Syndrom (Cave = engl. Höhle) Betroffene haben oft vor der Pandemie ein ganz normales Leben geführt. Nun jedoch macht ihnen allein der Gedanke an die Nähe zu Fremden Angst – von Veranstaltungen oder öffentlichen Verkehrsmitteln ganz zu schweigen.

Umfragen zeigen: Rund 10 Prozent der Bevölkerung schätzen verschiedene Aspekte der pandemiebedingten Einschränkungen. Und wiederum mehr als die Hälfte davon fände es schön, wenn die Abschottung beibehalten würde. Erstaunlich dabei: Darunter sind sehr viele vergleichsweise junge Menschen ab Mitte 20.

Ursachen des Cave-Syndroms

  • Ihre Freiheit auszuleben wird mit Stress assoziiert.
  • Der Pandemie-/Lockdown-Alltag hat gerade bei Jüngeren zu Gewöhnungseffekten geführt.
  • Digitalisierung macht die Abschottung einfacher und bequem.

Umkehr der Wahrnehmung

Tatsächlich hat die Tendenz, sich vom sozialen Leben mehr abzuschotten, bereits vor der Pandemie zugenommen. Covid-19 hat dies noch verstärkt. Laut einer Umfrage der American Psychological Association aus dem Jahr 2021 fühlte sich rund die Hälfte von über 3.000 Befragten nicht wohl dabei, zu einem Alltag wie vor der Pandemie zurückzukehren. Ebenfalls rund die Hälfte gab an, dass sie sich schwerer tun, wieder zwischenmenschliche Begegnungen zuzulassen.

Dies zeigt eine Werte-Umkehr: Wurde es zuvor als erstrebenswert eingeschätzt, Menschen zu treffen, ist dies bei vielen nun negativ konnotiert. Stattdessen haben isoliert mögliche Beschäftigungen wie Malen, Kochen, Lesen, Wandern oder Serienschauen stark an Stellenwert gewonnen.

Was ist das Problem an der Isolation?

Dabei sind wir Menschen eigentlich darauf ausgelegt, Kontakt mit anderen einzugehen. Wer sich isoliert, meint, sich zu schützen. Doch oft werden dadurch aus Angst vor Kontakten gesundheitlich wichtige Termine – zum Beispiel Vorsorgeuntersuchungen – verschoben oder abgesagt.

Selbsttest

Wie aber lässt sich erkennen, ob man noch einfach vorsichtig ist – oder womöglich unter einem übertriebenen Cave-Syndrom leidet? Versuchen Sie, sich ehrlich folgende Fragen zu beantworten.

Falls ja, holen Sie sich ärztlichen Rat oder psychologische Hilfe. Denn so sinnvoll Social Distancing in Hochphasen der Pandemie auch sein mag, muss sie doch kein Dauerzustand sein – und Angst allein ist nie ein guter Ratgeber.

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Veröffentlicht: 10.02.2022 - Aktualisiert: 05.07.2024